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Ein Hund per Post

Als unser dunkelblauer Ford Escord um die Ecke biegt, stehe ich bereits vor dem Eingang meiner Grundschule. Meine lila-silberne Einhorn-Schultasche fest auf dem Rücken geschnallt, die Jacke in der Hand und die letzten Krumen meines Butterbrotes im Mund, wundere ich mich, wieso mich Oma und Opa gemeinsam abholen. Normalerweise kommt doch immer nur Oma. Was ist heute bloß anders?

Opa parkt den Wagen auf dem Bürgersteig direkt vor mir. Ich reiße schnell die hintere Tür auf und schmeiße meine Schultasche auf die linke Seite des Rücksitzes, bevor ich es mir neben ihr gemütlich machen kann. Den Gurt gerade umgelegt, lassen meine Fragen natürlich auch nicht lange auf sich warten: “Wieso holt ihr mich denn heute gemeinsam ab?”, rufe ich nach vorne ins Auto. Oma grinst Opa von der Seite an, während er nur sagt: “Wir fahren jetzt zur Post.” Zur Post?, denke ich mir. Was wollen wir denn da?

Während ich angestrengt darüber nachdenke, wer mir denn ein Päckchen hätte schicken können, muss ich plötzlich an meine Freundin Maike denken, die ich erst vor zwei Wochen auf ihrem Bauernhof besucht habe. Sie hat mir unzählige Kätzchen gezeigt, da ihre Katzen aus irgendeinem Grund alle zur gleichen Zeit ihre Jungen bekommen haben. Auf dem Heuboden tobten und schmusten wir deshalb mit mindestens 20 Katzenbabys und ich wollte doch so gerne eines mit nach Hause nehmen. Aber als mich meine Großeltern abends abgeholen, meinten sie, wir müssten uns das noch überlegen. Was muss man da denn bitte noch großartig überlegen?, dachte ich mir damals. Aber vielleicht hat sie mir ja heute ein Kätzchen per Post geschickt? Doch kann man ein Tier überhaupt im Paket verschicken?

Ich hoffe es jedenfalls, denn ein Haustier wünsche ich mir doch schon so lange! Zwar wollte ich eigentlich immer lieber einen Hund, da ich mit ihnen aufgewachsen bin, aber bei einem kleinen Kätzchen könnte ich auch niemals nein sagen. Hauptsache, ich habe wieder jemanden, mit dem ich zu Hause knuddeln und spielen kann. Und die Kätzchen meiner Freundin waren so süß, ich würde sie sofort in mein Herz schließen!

Nachdem wir schon mehr als zehn Minuten unterwegs waren, wunderte ich mich, dass wir nicht in die Post unserer Stadt fuhren. Wieso hat sie uns das Kätzchen denn nicht nach Hause geschickt? Und wo fahren wir nun eigentlich hin? Während ich meine Gedanken schweifen ließ, versuchte ich aber auch, mich nicht allzu sehr zu freuen, denn eventuell holen wir ja doch kein Haustier ab. Immerhin bettele ich schon so lange um einen Hund, aber Oma und Opa haben sich nie richtig dazu geäußert. Und bei der besagten Poststation waren wir auch immer noch nicht angekommen …

Die ganze Fahrt über hielt ich deshalb Ausschau nach dem gelben Postzeichen, bis wir endlich in einem kleinen Dorf ankamen, um die Ecke bogen und ich das Posthorn direkt vor meiner Nase hatte. Wir parkten auf der gegenüberliegenden Straßenseite und ich konnte es einfach nicht mehr abwarten, endlich die Post zu betreten! Zu meiner Überaschung gingen meine Großeltern aber nicht auf den Eingang der Filiale zu, sondern bewegten sich in Richtung einer Holztür, die wohl der Zugang zum  Hinterhof des Hauses darstellte.

Je näher wir der Hintertür kommen, umso aufgeregter, aber auch verwunderter werde ich. Und dann höre ich es endlich: Ein leises Hundebellen und aufgeregtes Winseln hinter dem Zaun. Als wir die Tür öffnen, werden wir sofort von zwei neugierigen Welpen begrüßt: Einer ganz in schwarz, der andere mit weißem und braunen Muster auf schwarzem Fell. Bevor ich etwas sagen kann, springt der zweite schon an mir hoch und leckt meine Handflächen ab. Ich freue mich so sehr, dass ich gar nichts mehr zu meinen Großeltern sagen kann, sondern sie nur noch mit feuchten Augen anstrahle: Endlich bekommen wir wieder einen Hund!

Später verstehe ich dann auch, wieso wir gerade zur Post gefahren sind: Die Hunde kamen natürlich nicht per Paket, sondern die Hündin des Postinhabers hat Welpen bekommen. Von den acht Australian Sheppard-Münsterländer Mischlings-Babys sind mittlerweile nur noch zwei zu haben und ich mache mir schon Sorgen, dass keines für uns übrig bleibt, wenn wir uns nicht schnell entscheiden.

Die kleinen sind aber auch zu niedlich! Am Boden und mitten im Dreck sitzend spiele ich mit ihnen, lasse sie mit ihren spitzen Zähnchen an meiner Hand kauen und muss mich beherrschen, sie nicht zu erdrücken, weil ich sie einfach nur knuddeln will. Ich kann meine Freudentränen gerade noch so unterdrücken und würde die beiden Welpen am liebsten beide mit nach Hause nehmen.

Aber meine Großeltern erinnerten mich recht schnell daran, dass wir nur einen der beiden mit nach Hause nehmen. Doch es dauert keine fünf Minuten, bis wir uns für das kleine gemusterte Hunde-Mädchen entschieden haben. Der Preis lag bei damals nur 150 DM, bezahlt wurde bar auf die Hand. Doch ein kleiner Abschied, der schwerer als gedacht fiel, lag doch noch vor uns: Denn abholen wollten wir unser kleines Hundebaby erst am nächsten Tag, um zu Hause alles bestmöglich für unser neues Familienmitglied vorzubereiten. Und für einen Namen mussten wir uns natürlich auch noch entscheiden!

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Ich bin Lisa und ich habe Kulturjournalismus studiert. Neben der Liebe zum geschriebenen Wort schlägt mein Herz für Tiere. Deswegen verbinde ich hier bei revvet beide Interessen und schreibe als Gastautorin über aktuelle Trends und Themen aus dem Haustierbereich. Ich bin mit Hunden aufgewachsen und werde sicherlich auch einige Erlebnisse mit den Hunden Rübe und Nele teilen. :-)
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