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Es ist Samstag, kurz vor zwölf. Gleich habe ich einen besonderen Termin: Ich darf heute mit Ron und seinen Besitzern in die Hundeschule gehen. Ein bisschen aufgeregt bin ich schon, als wir den vereinbarten Treffpunkt im Hamburger Stadtteil Altona suchen. Hier treffen wir uns mit Hundetrainer Sven Plückhahn von der Hundeschule Altona.

Los geht’s!

Sven wartet schon auf uns, natürlich nicht alleine. Mit dabei: Seine Hündin Lisa. Nach der Begrüßung geht es auch gleich los. Der Hundetrainer fragt den Trainingsstand ab, versucht Probleme und Fortschritte in Erfahrung zu bringen. Mahnend sagt er: „Jetzt erzähl mir aber nicht, du hattest keine Zeit zu trainieren…“ Ein eiliges „Doch, doch. Wir haben viel geübt.“ lässt ihn schmunzeln. Denn ohne Training wird das nichts mit der Hundeerziehung und ohne klare Signale an den Hund an den richtigen Stellen auch nicht. Und ich merke schnell: Dieser Mann lässt sich nicht von Hunden auf der Nase herumtanzen. Aber man merkt ebenso schnell, sein großes Herz, das für seine Schüler auf vier Pfoten schlägt.

„Bei Fuß!“ oder „Ron, jetzt sei doch bitte so gut und lauf bei Fuß.“

Um zu sehen, ob Rons Besitzer das bereits Erlernte verinnerlicht haben, geht es auf die Wiese. Hier müssen Ron und seine Besitzer zeigen wie gut sie schon an der Leine bei Fuß gehen können. Leider gelingt es Rons Frauchen nicht, die Aufmerksamkeit von Ron auf sich zu lenken. Ron ist nicht blöd, er weiß, wenn Frauchen stehen bleibt, geht es gleich wieder in die andere Richtung. Das entgeht Hundetrainer Sven nicht: „Dein Hund achtet nicht auf dich. Er spult mechanisch sein Programm ab.“ Nächste Übung: Gehen, stehen bleiben, wenn Ron sich dreht, WEITERGEHEN. Er muss lernen auf sein Frauchen zu achten, nicht andersherum. Wenn er sich nicht konzentriert, hilft ein Leinenruck. Aber ein Richtiger: „Ich denke, es ist für den Hund fairer und leichter zu verstehen, wenn man lieber einmal ein klares deutliches Signal setzt, als permanent an dem Hund rum zu zerren und zu ziehen und auf ihn einzureden. Das macht den Hund auf Dauer wahnsinnig und hilft ihm nicht sich zu konzentrieren, im Gegenteil, es macht ihn nur noch nervöser.“

Auf ins Getümmel

Natürlich bewegt man sich als Hundebesitzer nicht nur auf Wiesen, daher geht es jetzt auf die Straße. Ron darf an der langen Leine gehen und muss nicht bei Fuß laufen. Aber auch hier muss er hören und darauf achten, was sein Frauchen macht. Klar, wenn er das nicht lernt, wird er nie ohne Leine laufen dürfen. Und so geht es auf in Richtung Altonaer Bahnhof. Und da geht es richtig los.

Der Samstagstrubel und die Shoppingwütigen machen die nächste Aufgabe zu einer besonderen Herausforderung für Hundebesitzerin Nadja. Denn sie soll selbstbewusster ihrem Hund gegenüber auftreten. Sie ist hier das Alphatierchen, nicht der junge Labrador Ron. Ein Wolf diskutiert immerhin auch nicht über die Rangfolge im Rudel. Recht hat er, der Hundetrainer: „Hunde brauchen klare Ansagen.“ Einfach wird es trotzdem nicht, denn Nadja soll sich ein Ziel setzen. Das Ziel ist in diesem Fall, möglichst ruhig von A nach B zu kommen. Sie soll sich nicht nach Ron richten, sondern Ron nach ihr. Ich bin gespannt. Immerhin kenne ich den Rüden jetzt auch schon eine Zeitlang. 😉

Quer durch die Shoppingmeile geht es, stur geradeaus, ohne Ron zu beachten. Gar nicht so einfach, wie man sich vorstellen kann. Nadja macht sich auf den Weg. Und man sieht, anfangs ist sie unsicher, schaut nach Ron, dann wird sie selbstsicherer und geht festen Schrittes los. Ron ist verwirrt. Darauf darf jetzt keine Rücksicht genommen werden, hier geht es darum, wer führt und wer geführt wird. Denn Ron soll ja lernen, auf sein Frauchen zu achten. Puh, ich möchte jetzt nicht tauschen. Aber nach einer Weile wirkt es: Ron hampelt nicht mehr an der Leine herum, wie er mag, sondern er konzentriert sich auf Nadja und folgt ihr ruhig und gelassen an der Leine. Hier konnte man sehr gut sehen, wie Nadja durch ihr sicheres und souveränes Auftreten Ron dazu gebracht hat, ihr ruhig und entspannt zu folgen.

Nachdem Nadja und Ron wieder bei uns angekommen sind, folgt eine kurze Manöverkritik. Und dann folgt ein zweiter Durchgang. Und der klappt eigentlich ganz gut. Nur wird Nadja immer schneller und schneller, so dass wir schon Probleme haben, hinterher zu kommen. Eindeutig eine Stresssituation für die Hundebesitzerin. Es scheint fast so, als wolle sie die Übung so schnell wie möglich hinter sich bringen. Aber warum?

Die anderen Menschen. Alle gucken einen komisch an. Oder es kommt der Hinweis, dass der Hund sich in der Leine verheddert hat.“ Nett, oder? Ich weiß es nicht. Aber ehrlich gesagt, ich würde ziemlich sicher selber komisch schauen, wenn ich den Hintergrund nicht wüsste. Sven als Hundetrainer, sagt dazu: „Ich gehe mit meinen Kunden ganz bewusst in diese Situationen, damit sie sich an dieses ungute Gefühl gewöhnen können. Denn gerade der Druck der Umwelt und das Unbehagen was dadurch entsteht, ist oft ein Grund dafür, dass die Menschen verunsichert sind und in unklaren Situationen ihrem Hund oft kein souveräner Führer sein können.“

Nadja und Ron haben es für heute geschafft. Aber mit einem Besuch beim Hundetrainer ist es nicht getan. Sie müssen üben und üben und üben.

Wo sind die Leckerlis?

Man kennt es ja von Hundeprofi Martin Rütter: Egal welches Problem, es wird mit Leckerlis gelöst. Ganz klarer Fall von instrumenteller Konditionierung, mit Hilfe eines positiven Verstärkers soll ein positives Verhalten ausgelöst werden. Klingt schwierig? Ist es aber gar nicht: Der Hund soll eine Handlung ausführen, tut er dies erfolgreich, wird er mit einem Leckerli belohnt. Das merkt der Hund sich und führt die Handlung das nächste Mal entsprechend gerne aus. Nun habe ich aber während der ganzen Trainingseinheit nicht ein Leckerli von Nadja zu Ron wandern sehen. Grund genug, nachzufragen.

Die Antwort ist einfach: Es gibt Sachen, die ein Hund können muss und es gibt zugehörige Befehle, auf die ein Hund hören muss. Das ist zum Beispiel der Rückruf, damit der Hund nicht auf die Straße läuft. Das ist auch das Kommando “Aus!“, um ihn zum Beispiel daran zu hindern, etwas zu fressen, was giftig sein könnte. Kurzum, alles was zum Schutz des Tieres und auch zum Schutz anderer Menschen notwendig ist, muss ein Hund lernen. Hierbei macht es nach Meinung von Hundetrainer Sven keinen Sinn mit Leckerlis als positive Verstärker zu arbeiten. Der Hund kann das nicht einordnen.

Als Beispiel erzählt er mir, dass er zum Teil eine Übung mit den Hundebesitzern macht, um das zu verdeutlichen. „Wenn ich mit meinen Kunden über die positive Konditionierung spreche, erlaube ich mir oft einen Spaß. Wenn ich das Gefühl habe, dass sie mir aufmerksam zuhören und meinem Blick folgen, drücke ich ihnen gerne 10 Cent in die Hand. Das sieht in der Praxis oft so aus, dass die Kunden erst mal sehr verwirrt sind. Auf der anderen Seite werde ich so relativ schnell mehrere Euros los. Wenn ich die Situation dann hinterher aufkläre, stellt der Mensch mit Erstaunen fest, dass er keinerlei Zusammenhang zwischen den 10 Cent und seinem Verhalten herstellen konnte. Hierzu sollte man auch wissen, dass es die Systematik der positiven Konditionierung so in der Natur nicht gibt. Es ging bei den zu Grunde liegenden Experimenten der positiven Konditionierung nur darum, dass ein hungriges Tier mit einer hohen Motivation sich Futter erarbeiten, einfache Handlungen ausführen sollten. Dieses Modell kann man meiner Meinung nach nicht auf die Arbeit mit Hunden in der Öffentlichkeit übertragen. Ein Hund hat immer eine Motivation etwas zu tun. Wenn ein Hund spielen oder jagen möchte oder ein Loch buddelt oder etwas Giftiges vom Boden frisst, welche Motivation sollte er dann haben, sich von seinem Menschen ein Leckerli abzuholen? Im besten Falle kann man durch diese Art der Operanten Konditionierung, eine 50%-Chance erhalten, dass der Hund sich gegen seine Motivation und für das Leckerli entscheidet. Diese 50%, wären mir, wenn es darum geht, dass mein Hund über die Straße läuft oder Gift frisst, zu wenig.“

Es gibt allerdings nach Aussage von Sven durchaus Leistungen, die ein Hund erbringt, die man so fördern kann. Hier geht es aber um freiwillige Dinge, zum Beispiel “Pfötchen geben“, „High Five“ und ähnliches.

Fazit: Man muss unterscheiden, was ein Hund können muss und was er freiwillig können will. Entsprechend kann man diese Dinge mit oder ohne Leckerlis trainieren.

Schlusswort

Was habe ich in der Hundeschule gelernt? Das Wichtigste, das ich gelernt habe, lässt sich leicht zusammenfassen:

  1. Klare und deutliche Kommunikation sind das A und O in der Hundeerziehung. Wenn ein Hund morgen etwas darf, was er heute nicht darf und sich übermorgen wieder umstellen muss, wird es schwierig.
  2. Unklare Ansagen des Hundebesitzers sind ebenso problematisch. Ein Hund braucht klare Vorgaben, an die er sich halten kann.
  3. Man muss in der Hundeerziehung die Sachebene von der emotionalen Ebene trennen. Ist man selber gestresst oder verärgert, muss man das dem Hund gegenüber ausblenden und dennoch klar mit ihm kommunizieren.
  4. Üben, üben, üben! Ohne ständiges Training und der Wiederholung des Verhaltens, werden sich nach der Zeit wieder alte Verhaltensweisen einschleichen.

Abschließend gilt mein Dank Nadja und Vitalij, die mich zu ihrem Hundeschulenbesuch mitgenommen haben und natürlich Sven von der Hundeschule Altona. Es war wirklich ein sehr interessanter Ausflug für mich und ich habe einiges mitgenommen! Wer mehr über die Hundeschule erfahren möchte, besucht am besten mal die Website: http://www.hundeschule-altona.de

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Ich bin Nicole. Bei revvet.de schreibe ich über unsere Mitbewohner auf vier Pfoten: Die beiden Katzen Shiva & Mogli und Zwergkaninchen Frodo. Was auch immer mir im Zusammenleben mit unseren Tieren interessant erscheint, findet hier seinen Platz. Kontakt über G+
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